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AutorenbildIris Martinz

Vom Bayrischen Wald bis nach Rügen

Keine klassische Urlaubsdestination, aber allenfalls eine Reise wert: der Südosten und Osten Deutschlands. Die Regionen könnten unterschiedlicher nicht sein, hier mehrere Hektar große Getreideäcker, dort monumentale Bauten, die ihresgleichen suchen. Auf 1.000 Kilometern taucht man ein in höfisches Leben, bayrische Braukultur, weltbekanntes Handwerk und ein Bauprojekt, da es so nur einmal gibt auf dieser Welt!

Andere fahren im Urlaub in den Süden, wir haben uns diesmal für den Norden entschieden! Während wir natürlich Städte wie Berlin oder München von dem einen oder anderen Städtetrip kennen, haben wir es bisher mit dem Auto in unserem nördlichen Nachbarland nie weiter als bis nach München geschafft! Eine Schande, die wir mit dieser Reise ausbügeln wollten.

Etwas mehr als 1.000 km umfasst der erste Teil unserer Deutschlandrundfahrt.

Wir starten unsere Deutschland-Rundfahrt in Passau, der Grenzstadt zwischen Bayern und Oberösterreich am südöstlichsten Zipfel Deutschlands. Die Fahrt dorthin geht ausschließlich über österreichische Autobahnen und ist dementsprechend langweilig. Passau hingegen präsentiert sich bayrisch zünftig und gleichzeitig weltoffen, fahren hier doch zahlreiche Flusskreuzfahrtschiffe ab Richtung Donaumündung. Vor allem der Stadtteil zwischen den beiden Flüssen Inn und Donau ist sehenswert, verwinkelte Gassen und schattige Biergärten laden ein zum Bleiben. Beschaulich geht es auch an der Mündung der drei Flüsse Inn, Donau und Ilz zu, man könnte stundenlang zuschauen, wie sich das schmutzig braune Wasser des Inn mit dem relativ klaren der Donau vermischt.

Nach einem typisch bayrischen Schweinsbraten fahren wir auf der B-85 Richtung Norden durch den malerischen Bayrischen Wald. Das Grenzgebiet zu Tschechien ist wald-, die Straße kurvenreich, aber sehr gut ausgebaut. Ideal für Motorradfahrer, die sich auch zahlreichst hier einfinden. Auch der Mach-E liebt die überraschungslosen Kurven, bis wir schlussendlich das Provinznest Regen erreichen.


Die Kreisstadt Regen an der Schwarzen Regen ist wenig spektakulär, blickt aber auf eine jahrhundertelange Geschichte als Bierbraustadt zurück. Mehr als 30 verschiedene Brauereien zählte das Städtchen an der wichtigen Handelsroute Richtung Osten einst. Und das ist auch der Grund, warum wir einen Abstecher hierher machen: das gebraute Bier musste in Vor-Kühlschrankszeiten irgendwie gekühlt gelagert werden. Dafür wurden unzählige Kellergewölbe in den Berg gehauen und mit ausgeklügelten Lüftungen versehen. In diesen Bier- und Eiskellern bleibt die Temperatur auch im Hochsommer konstant bei 4 bis 10 Grad, ideal also, um mit dem Vorrat an gebrautem Bier auch das letzte Sommer- und Herbstfest noch zu versorgen.


Mit der Erfindung des Kühlschranks gerieten die Keller in Vergessenheit und wurden zum Teil zugeschüttet. Bis sich mit den Postkellerfreunden Regen ein Verein fand, der sich der Aufspürung, Erhaltung und Nutzung der vielfältigen Keller widmet. Alle zwei Wochen Donnerstags oder bei größeren Gruppen auf Anfrage zeigt man gegen eine freiwillige Spende die vielfältigen Schmuckkästchen her und lässt die Gäste in die Geschichte eintauchen. Aktuell sind 23 Keller begehbar, die als Veranstaltungsraum, Disko oder einfach als Schaukeller genutzt werden. Sogar heiraten kann man in einem der Keller! Zum Abschluss gibt's natürlich eine Bierverkostung. Ein unvergessliches, weil ungewöhnliches Erlebnis, für das man unbedingt einen Umweg einplanen oder mal seine Bierfreunde zusammentrommeln sollte! Anmeldungen sind nicht erforderlich (außer für größere Gruppen), und auf www.postkellerfreunde-regen.de gibts die aktuellen Termine.


Als nächstes steht ein Ziel am Programm, das schon von weitem zu sehen ist und majestätisch über der Donau thront: Walhalla. Dieses im römischen Tempelstil gebaute Monument geht auf den bayrischen König Ludwig I. zurück, der mit diesem Koloss verdienten Deutschen ein Denkmal setzen wollte. In der Halle geben sich Büsten von Erzherzogin Maria Theresia, Luther, Goethe, Kopernikus, Bruckner und vielen anderen Persönlichkeiten ein Stelldichein, vom Eingang aus hat man einen atemberaubenden Blick auf die vorbeiziehende Donau bis hinein nach Regensburg.

Insgesamt wirkt das monumentale Gebäude in dieser Umgebung völlig fehl am Platz, und der Besuch ist nicht gerade günstig. Für den Parkplatz zahlt man 2,50 Euro, dafür gibt's sogar eine einsame E-Ladesäule. Pro Person kommen nochmal 4,50 Euro für den Eintritt dazu. Man muss sich - so wie wir - die versteinerten Persönlichkeiten aber nicht unbedingt aus der Nähe ansehen, der unglaubliche Ausblick allein ist die Anfahrt allemal wert. Wer will, kann die 260 Stufen bis zur Schiffsanlegestelle hinunter - und natürlich wieder hinauf - wandern, ich würde es aber nicht noch einmal tun.. (uffff)


Auf der Fahrt zum nächsten Ziel kann zumindest der Beifahrer getrost ein kleines Nickerchen einlegen - die 175 km lange Fahrt von Regensburg bis nach Bayreuth ist unglaublich eintönig und langweilig. Erstmal angekommen, wird man aber mit einer wunderschönen Parkanlage entschädigt. Die Eremitage samt weitläufigem Wald, Wasserspielen und Schlössern lässt einen eintauchen in das höfische Leben des 18. Jahrhunderts. Vor allem das neue Schloss ist wegen seiner interessanten Fassadengestaltung - sie besteht aus Millionen verschiedenfärbiger kleiner Steine - sehr beeindruckend. Leider waren die Wasserspiele aufgrund des herrschenden Wassermangels auf Sparflamme gestellt und die Becken deshalb völlig veralgt. Auch die Wiesen rund um den Kanalgarten waren schon mehr braun als grün. Dennoch ein wunderbares, schattiges Refugium vor den Toren der Stadt, mit zahlreichen, zu entdeckenden kleinen Gebäuden und Plätzen.

Nach dem prunktvollen Bayreuth geht die Reise weiter ins weniger prunkvolle, ostdeutsche Meißen. Die Stadt liegt malerisch am Oberlauf der Elbe, kann seine DDR-Vergangenheit aber nur schwer abschütteln. Vor allem in wenig befahrenen Seitengassen wähnt man sich mitunter im tiefsten Balkan. Selbst die Meißener selbst scheinen ihre Stadt nicht zu mögen, kaum jemand verirrt sich an einem Samstag Nachmittag auf die Straße.

Wir sind aber ohnehin nicht wegen der Menschen da, sondern wegen dem bekanntesten Exportgut Meißens. Man kann von Porzellanpüppchen und sündteurem Geschirr halten, was man will, aber das, was die Mitarbeiter in der weltberühmten Porzellanmanufaktur jeden Tag leisten, ist einfach unglaublich! Kein Wunder, dass so ein 10 cm großes Püppchen gerne mal 1.500 - 2.000 Euro kostet. Alles ist handgefertigt und handbemalt. Auf einer etwa halbstündigen Führung kann man die einzelnen Schritte hautnah miterleben. Sehenswert ist auch das im Obergeschoss befindliche Museum mit riesigen Vasen und allerlei Porzellan-Getier. Was auffällt: die sündteuren Exponate (ein etwa 1 m hohes und breites Schiff kostet die Kleinigkeit von 600.000 Euro) stehen im Schauraum und auf wackeligen Regalen ohne jeglichen Schutz herum. Nicht auszudenken, was ein kleiner Wirbelwind auf Entdeckungsreise da anrichten könnte...


Wir verlassen Meißen Richtung Norden und amüsieren uns prächtig darüber, dass in Ostdeutschland jede Stadt offenbar an der Stadtgrenze tatsächlich aus ist. Ist die Straße innerhalb der Stadtgrenzen noch von Häusern gesäumt, beginnt exakt bei der Ortstafel das Ackerland. Das kennen wir so nicht, in Österreich fransen Städte auch über die Stadtgrenzen hinaus massiv aus (sogenannte "Speckgürtel") und auch überland steht zumindest alle paar Kilometer eine kleine Siedlung. In Ostdeutschland hingegen dominiert der Acker. Auf dem Weg an Berlin vorbei in den Norden wechseln sich ausgedehnte Waldflächen mit unvorstellbar großen Ackerflächen ab. Kein Haus, keine Siedlung weit und breit, nur Gegend, Gegend, ... und Windräder!


Wir freuen uns also, nach knapp 470 km Einöde endlich Stralsund an der Ostsee zu erreichen. Hier ist deutlich mehr los und wir setzen nach einem Ladestopp nach Rügen über. Deutschlands größte Insel ist ein wenig schizophren: hier mondäne Seebäder wie Binz, dort verschlafene Familiennester wie Lauterbach oder Sassnitz. Vor allem die vielen Alleen mit teilweise ausgestutzen Bäumen geben ein imposantes Bild ab. Das touristisch überlaufene Kap Arkona lassen wir aus - 6,50 Euro fürs Parken und dann noch ein mindestens halbstündiger Fußmarsch pro Richtung erscheinen uns nicht erstrebenswert.


Ostseebad Binz

Viel eher erregt ein bekannter Lost Place unsere Aufmerksamkeit: wenige Kilometer nach dem Seebad Binz erstreckt sich über eine Länge von 2,5 km eines der größten Gebäude Deutschlands. Von Hitler in den 1930er Jahren als "Urlaubsresort" für bis zu 20.000 Menschen gleichzeitig gedacht, wurde der Bau des ursprünglich 4,5 km langen Gebäudes entlang des Strandes nördlich von Binz zu Beginn des zweiten Weltkrieges gestoppt. Nach Nutzungen als Kaserne und dem teilweisen Abriss des "Kolosses von Prora" standen die Gebäude jahrzehntelang leer und verfielen. Erst seit den 2000er Jahren werden einzelne Blöcke verkauft und saniert, im südlichen Teil ist bereits ein ansehnlicher Teil zu Eigentumswohnungen, Hotels und Jugendherbergen umgebaut worden. Ein Dokumentationszentrum zeigt die wechselvolle Geschichte. Wo sich das Dokumentationszentrum und der Besucherparkplatz befinden, ist aktuell genau die Grenze der Sanierung. Der Anblick der modernen Wohnungen auf der einen, und der verfallenen Gebäudeteile auf der anderen Seite ist wirklich kurios. Direkt dort kann man auch unter dem Gebäude durch auf die Strandseite wechseln, wo sich das Gebäude bis zum Ende des Sichtfeldes ausdehnt. Ein wahrlich kolossaler Lost Place, der endlich wiederentdeckt wird!

Wer gerne wissen möchte, wie sich der Mustang Mach-E auf dieser insgesamt mehr als 3.300 km langen Deutschlandreise bewährt hat, der kann das hier nachlesen. Den zweiten Teil der Reise entlang der Ost- und Nordsee findet ihr in Bälde hier.









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